2 Promille und Ärger wegen „Richter“

Frank Hannig

„Guten Tag, ich bin Frank Hannig, der Verteidiger“, begrüßte ich mein Gegenüber am Amtsgericht heute Morgen. „Richter.“ bekam ich zur Antwort.

„Nein, nein“, sagte ich „Verteidiger“. „Ich weiß“ lachte sie: „ich meine mich“. Ich guckte Sie etwas irritiert aber fröhlich an: „Das weiß ich doch! Sie sitzen vorn im Saale, haben die Robe an. Sie sind Richter.“ Erstaunter Blick- ich ergänzte:. „Wie ich Sie ansprechen soll, wollte ich wissen.“ Sie blickt strenger: „Das sollten Sie wissen Herr Verteidiger: Mit Frau Vorsitzende!“ Ah, ja- sprachloses kurzes Staunen, dann Stammeln: „Ok, Frau Vorsitzende, Entschuldigung, mir ging es nur, also, wegen eines Namens…“ Sie unterbricht mich: „Frau Richter! Sagte ich doch!“ „Aber,“ – ich wurde doch etwas sauer: „Gerade noch Frau Vorsitzende, jetzt plötzlich Frau Richter… keine Ahnung, was Sie meinen. Ich wollte doch bloß Ihren Namen wissen- so aus Höflichkeit.“ „Richter“ war die Antwort, diesmal mit einem Lächeln. Oh Gott, da hatte ich mich wohl etwas blöd angestellt- Frau Richterin Richter- endlich verstanden.

Fazit 1: ich sollte mich an meine eigene Prämisse halten, vor Verhandlungsbeginn herauszufinden, mit wem ich es zu tun habe. Mein Fehler.

Fazit 2: Das Eis war gebrochen. Kein schlechter Start in eine Strafverhandlung. Übrigens sogar gegenüber dem Staatsanwalt, der den Dialog schmunzelnd verfolgt hatte.

In der Sache allerdings war es nicht so lustig. Über 2 Promille standen zur Diskussion und das bei einer Polizeikontrolle am Vormittag. Glatteis für Verteidiger. Ist der Mandant krank und kann deshalb Alkohol nicht resorbieren, wie ein Gesunder? Hat er abends ein Glas Wein getrunken- das am Morgen noch im Blut war? Aber dann gleich mehr als 2 Promille? Sagt der Mandant die Wahrheit? Ist das medizinisch denkbar? Dann müßte man ihn freisprechen. Obwohl auch das zweifelhaft ist- denn der Gesetzgeber stellt auch die fahrlässige Trunkenheit im Strassenverkehr- völlig zu Recht- unter Strafe. Prozesstaktisch ist das ganze also ein Riesenproblem. Der Mandant hatte zugegeben am Abend getrunken zu haben- aber nicht am Morgen. Ein Sachverständiger könnte klären, ob das physiologisch und medizinisch denkbar ist. Ein solches Gutachten kostet aber gut und gerne 2.000 Euro. Selbst wenn es also so wäre- die fahrlässige Trunkenheit bekomme ich ja nicht wegdiskutiert- der Mandant wird also in jedem Falle schuldig gesprochen und müßte dann die hohen Prozesskosten tragen. Nächstes Problem: Bis das Gutachten vorliegt vergehen, einige Monate. Der Führerschein des Mandanten ist aber bereits beschlagnahmt- er darf also nicht fahren. zieht sich nun der Prozess in die Länge wird der Mandant aber trotzdem verurteilt- selbst zu einer kleineren Strafe und einem kürzeren Fahrverbot- kann es zwar sein, dass er die Wahrheit sagt, schlussendlich aber der Fühererschein noch länger weg ist als jetzt, trotz geringer Strafe.

Ich entschließe mich, gar nicht zu taktieren, sondern meine Gedanken ganz offen mit Gericht und Staatsanwalt zu diskutieren.
Was w-re wenn? Wie könnte es ausgehen, falls? was kostet es den Mandanten?- Im Ergebnis wähle ich einen ungewöhnlichen Weg. Wir räumen die Tat ein, gestehen also eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt. Gleichzeitig beschränke ich aber meinen Einspruch auf „die Rechtsfolge“ und trage nun Argumente zur sogenannten Strafzumessung vor: Freiwillige Alkoholabstinenz seit der Tat, freiwillige Bluttests (alle negativ- also gut!), ärztliche Betreuung und Suchtberatung- freiwillig und so weiter.

Das Ergebnis: Der Mandant wird verurteilt. Der Führerschein ist weg. Allerdings einige Monate weniger als im ursprünglichen Strafbefehl. Auch die Geldstrafe wird herabgesetzt.

Komisches Gefühl als Verteidiger am Ende: Der Mandant ist ehr zufrieden, obwohl er verurteilt wurde. Bei mir bleibt die Frage: Habe ich im Rahmen meines Mandates das mögliche erreicht? Wäre ein juristisches „Ausverhandeln“ bis zum letzten Beweismittel besser gewesen? Hat der Mandant die Wahrheit gesagt oder wird er wieder betrunken unsere Straßen unsicher machen- auch dank meiner Hilfe? Manchmal ist es moralisch nicht ganz einfach. Aber das ist Teil unseres Berufs- Die rechtsstaatlichen Möglichkeiten im In teresse des Mandanten ausschöpfen, aber nicht Freispruch um jeden Preis.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Hannig

Rechtsanwalt

 

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