„Richter, Halt die Fresse!“

Frank Hannig

Prozesse gibt’s… zum Kopfschütteln. Für eine Kollegin übernehme ich einen Scheidungstermin an einem kleinen Gericht im thüringischen Hinterland. Alles ganz einfach sagt, die Kollegin. Wir haben den Scheidungsantrag schriftlich gestellt. Der Exmann hat nichts dagegen. Das geht schnell…

Von wegen!

Erste Überraschung: Meine gar nicht mal so junge Mandantin begrüßt mich keifend und schreiend mit den Worten: „Anwalt, jetzt mache mal was dagegen, der Lustmolch glotzt mir schon wieder auf den Hintern!“ Das Lachen blieb mir im Halse stecken, als ich merkte, dass das ihr Ernst war. „Der Lustmolch“ war ein kleiner Mann in viel zu großem Sonntagsanzug, der vor Scham nicht wußte, wo er hingucken sollte. Und gleich kam die nächste Attacke: „Jetzt tust Du wieder so, als wäre nüscht gewesen! Sag dem Anwalt ruhig, dass Du mir auf den Hintern glotzt!“

Die andere Scheidung: Richter halt die Fresse
Foto: Flickr Benutzer hang-in-there License CC BY 2.0, in B/W bearbeitet.

 

Die Anwältin der Gegenseite lächelt resigniert, „das geht schon eine ganze Weile so“, sagt sie. Und dann fragt sie, warum die Ehefrau einen Scheidungsantrag gestellt hätte. Ich bin erstaunt, „Warum denn nicht?“

Die Kollegin greift in Ihre Akte und zeigt mir einen Scheidungsantrag des Ehemannes von vor 6 Monaten. Ich frage meine Mandantin, ob sie den schon mal gesehen hat. Die Antwort: „Ja das Ding hatte ich in der Post, das hab ich gleich zerrissen, den seine Post lese ich doch nicht mehr!“ Na gut, wir hatten nun also einen alten Scheidungsantrag den ich nicht kannte und einen neuen von der Ehefrau.

Der Richter fragt: „Sie beide wollen also geschieden werden?“ Der Ehemann nickt, beide Anwälte nicken… Die Mandantin haut mit der Faust auf den Tisch: „Ich nicht! Ich will dass der sich ändert! Und mit seinen Weibergeschichten soll der aufhören!“

Alle sind erstaunt, schließlich hatte die Frau doch geradeerst durch ihre Anwältin einen schriftlichen Scheidungsantrag eingereicht. Der Richter fragt nach: „Also wollen Sie doch nicht geschieden werden, wie soll ich das denn verstehen?“

„Du hältst jetzt erst mal die Fresse!“ erhält er zur Antwort. Krach! Das hat gesessen. Richter und Anwälte sind so perplex, dass keinem eine Antwort einfällt. „Also, so… also das…. also, so lasse ich nicht mit mir reden…“ Der Richter ringt um Worte, die Mandantin, versucht eine Entschuldigung: „Das hab ich nicht so gemeint, aber Du hast mich grade genervt.“ Das wird nicht besser, denke ich und versuche die Frau zu beruhigen.

Ein Gespräch ist nicht möglich, eine Verhandlung, wie wir Juristen das gewöhnt sind schon gar nicht. Die Frau will nicht geschieden werden, der Mann auf jeden Fall. Die Frage wird thematisiert, ob die Ehe wirklich zerrüttet ist (Das ist Voraussetzung für die Scheidung). „Aber zwischen drinne wolltest Du doch immer wieder!“ Ruft die Frau. „Gab es einen Versuch, die Ehe zu retten“ fragt der Richter. Unverständnis bei den Eheleuten. „Wie meinen Sie das“ fragt der Mann. „Haben Sie zwischenzeitlich wieder ein Verhältnis gehabt?“ fragt der Richter weiter. „Nein!“ ruft der Mann. „Na klar!“ ruft die Frau. Und dann geht es weiter: „Du wolltest doch immer wieder, Du geiler Bock… Du hast doch gar nüscht anderes mehr im Koppe!“ Wieder greift der Richter beruhigend ein. Aber zugegeben: So ganz können wir Juristen uns das Lachen alle drei nicht mehr verkneifen, Hand vor den Mund, bemühtes Stirnrunzeln… aber mal ehrlich, wer kann denn dabei gänzlich ernst bleiben?

Das Ergebnis? Die Ehe wird erst mal nicht geschieden, der Richter braucht Bedenkzeit. Aber verhindern kann die Scheidung am Ende wohl keiner, auch wenn zweifelhaft ist, ob meine Mandantin das verstehen wird. Diese verabschiedete sich mit den Worten: „Und Anwalt; was Du noch klären musst: Der hat den Eimer ausm Garten mitgenommen, den gelben, den will ich wieder haben. Das seh’ ich nicht ein…“

Immer für Sie da! Rechtsanwalt Hannig (Dresden)

(Der Blog wurde anonymisiert, jegliche Ähnlichkeit mit echten lebenden Personen und Gerichten ist zufällig und nicht beabsichtigt.)